Die politische Ausgangslage: eine neue Regierung auf Konfrontationskurs mit Berlin und Brüssel
Am 1. Juni wurde in Rom eine Regierungskoalition aus der sozialpolitisch links stehenden Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und der rechtsnationalen Lega unter dem parteilosen Juraprofessor Giuseppe Conte vereidigt.
Einerseits ist es eine Koalition der Gegensätze, da die Parteien sehr unterschiedliche Wählergruppen repräsentieren: bei M5S sind es Arbeitslose, sowie junge Wähler und Wähler aus Italiens armen Süden; die Kernwähler der Lega hingegen sind Handwerker, Kleinunternehmer und Selbständige aus dem reicheren Norden [1].
Andererseits einen M5S und Lega der Frust ihrer Wähler und Parteimitglieder auf ein als unfähig und korrupt empfundenes politisches System sowie eine EU-kritische bis EU-feindliche Haltung. Das Handelsblatt [2] zitiert den Parteichef der Lega, Matteo Salvini, folgendermaßen: „Wir, das Volk lassen uns nicht mehr von in- und ausländischen Eliten bestimmen, von Eurokraten und Banken, von Ratingagenturen und Fondsmanagern.“
Vor einigen Wochen wurde der Entwurf zu einem Koalitionsvertrag bekannt, in dem gefordert wurde, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Italien einen Schuldenerlass von 250 Mrd. Euro gewähren solle, andernfalls werde man aus der Eurozone austreten. Zwar teilte Salvini kurze Zeit später mit, dass das Koalitionspapier und diese Forderung inzwischen überholt seien [1] [3]. Dennoch deutet der Vorgang auf eine konfrontative Politik der neuen Regierung gegenüber Euro-Institutionen und den Partnerländern hin. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die neue italienische Regierung bisherige Euro-Regelungen mit Vehemenz zur Disposition stellen könnte, ist die Ernennung des Wirtschaftsprofessors Giovanni Tria zum Finanz- und Wirtschaftsminister. Tria hält laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (F.A.Z.) [4] den deutschen Handelsbilanzüberschuss für einen Indikator des Euro-Scheiterns und die von Deutschland vertretene Austeritätspolitik als die eigentliche Ursache für die Instabilität der Eurozone.
Der unmittelbare Grund für die gegenwärtige Besorgnis in Brüssel und Berlin sowie die Unsicherheit an den Finanzmärkten ist das Regierungsprogramm von M5S und Lega. Die Erfüllung der äußerst teuren Wahlkampfversprechen würde Italiens Schuldenberg, ohnehin bereits der größte in der Eurozone, um viele Milliarden Euro wachsen lassen (laut Spiegel Online mindestens 80 Mrd. Euro [1], laut F.A.Z. 100 Mrd. Euro [4]).
Konkret sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
- Die Einführung eines monatlichen Grundeinkommens von 780 € für Arbeitslose.
- Eine radikale Steuersenkung mit nur zwei Steuersätzen von 15 % und 20 %.
- Die Rücknahme der Rentenreform von 2011, womit das Renteneintrittsalter wieder sinken würde.
Die angekündigten Maßnahmen ließen die Zinsen für italienische Staatsanleihen spürbar ansteigen. Die Rendite zehnjähriger Anleihen hat sich im Verlaufe des Mais von anfangs 1,8 % auf zuletzt 3,1% (8. Juni) erhöht [Bloomberg]. Die Investoren verlangen höhere Risikoaufschläge, weil sie aufgrund der Ankündigung der neuen Regierung die Schuldentragfähigkeit des Landes zunehmend in Frage stellen.
Die ökonomische Ausgangslage Italiens: deprimierend
Dafür, dass die Finanzmärkte die Schuldentragfähigkeit Italiens in Zweifel ziehen, gibt es gute Gründe:
- Obwohl Italien nach Deutschland und Frankreich nur die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist, hat es die höchste absolute Staatsverschuldung von 2.256 Mrd. Euro (dann folgen Frankreich mit 2.218 Mrd. Euro und Deutschland mit 2.093 Mrd. Euro) [IWF].
- In Relation zum BIP sind es 131 % Staatsverschuldung. Diese Zahl wird nur von Griechenland mit 182 % übertroffen (Eurozone gesamt 87 %, Deutschland 64 %) [IWF].
- Seit dem Ausbruch der Eurokrise im Jahre 2010 gab es in Italien praktisch kein Wirtschaftswachstum mehr. Das inflationsbereinigte BIP-Wachstum betrug im Durchschnitt der Jahre 2010-2017 lediglich 0,1 % (in der Eurozone insgesamt waren es 1,3 % und in Deutschland 2,1 %). In einigen Jahren im Zeitraum war sogar ein Rückgang im inflationsbereinigten Pro-Kopf-Einkommen zu verzeichnen [IWF]. Eine Senkung bzw. Stagnation des Durchschnittseinkommens trägt natürlich nicht dazu bei, das Vertrauen der Bürger in italienische und europäische staatliche Institutionen zu fördern. Weiterhin führt wirtschaftliche Stagnation zu einer Stagnation der Steuereinnahmen und damit zu weniger Möglichkeiten, die Schulden abzubauen.
- Die Arbeitslosenquote insgesamt beträgt hohe 11,4 % [IWF] und die Jugendarbeitslosigkeit (der 15-29-Jährigen) gravierende 28,4 % [Eurostat]. Vor allem die letzte Zahl ist politischer Sprengstoff und eine Bürde für die Zukunft des Landes, weil sie bedeutet, dass ein substanzieller Teil produktiven Humankapitals ungenutzt brach liegt. Im Allgemeinen belastet eine hohe Arbeitslosenquote die staatlichen Sozialsysteme und erhöht somit Staatsausgaben und Schuldenlast.
- Das italienische Bankensystem ist noch aus Zeiten der letzten Finanzkrise angeschlagen. Dort befinden sich noch „faule“ Kredite (Non-performing loans) im Wert von 187 Mrd. Euro oder 11,1 % aller Bankkredite in Italien (in Deutschland sind es z.B. nur 1,9 %) [EZB]. Der hohe Anteil fauler Kredite beeinträchtigt das Vertrauen von Investoren in die Stabilität des italienischen Bankensystems und wirkt somit zusätzlich destabilisierend, wenn das Vertrauen der Finanzmärkte in die Zahlungsfähigkeit des italienischen Staates ohnehin sinkt.
- Weiterhin besteht eine hohe wechselseitige Abhängigkeit zwischen dem italienischen Bankensystem und italienischem Staat. Italienische Banken hielten im letzten Quartal 2017 heimische Staatsanleihen im Wert von 342 Mrd. Euro, oder 17,4 % der gesamten Staatsschulden [5]. Steigt das italienische Zinsniveau, senkt das den Wert der von den Banken gehaltenen Wertpapiere und somit ihre Überlebensfähigkeit. Folglich sinkt auch ihre Fähigkeit, den italienischen Staat durch zusätzliche Anleihen-Aufkäufe zu stützen. Verliert der Staat die finanzielle Unterstützung kann er seinerseits bankrotte Banken nicht mehr retten. Dieser Teufelskreis kann in einer Vertrauenskrise der Finanzmärkte dazu führen, dass Staat und Bankensystem sich gegenseitig in den Abgrund ziehen.
- Der Hauptgrund dafür, dass Italien bisher noch nicht auf offizielle Euro-Rettungsschirme zurückgreifen musste, ist die ultralockere Geldpolitik der EZB. Durch den umfangreichen Aufkauf europäischer Staatsanleihen drückt sie die von den Regierungen zu zahlenden Schuld-Zinsen künstlich und in erheblichem Ausmaß. Ende Mai hielt die EZB Staatsanleihen im Wert von 1.993 Mrd. Euro, davon italienische im Wert von 345 Mrd. Euro [EZB].
Mögliche Antworten aus Berlin
Angesichts der ökonomischen und finanziellen Ausgangslage kann das teure Regierungsprogramm zumindest als Provokation, wenn nicht gar als Drohung gegen Berlin und Brüssel verstanden werden. Die im Regierungsprogramm unterschwellig enthaltene Drohung könnte zugespitzt formuliert lauten: „Wenn ihr uns nicht helft, indem z.B. Schulden erlassen werden, wird Italien die Eurozone verlassen und ihr werdet die extrem hohen Austrittskosten bezahlen.“
Mindestens folgende Posten würden zu diesen Austrittskosten beitragen:
- Die Target-Verbindlichkeiten Italiens gegenüber der EZB in Höhe von 426 Mrd. Euro [EZB, Stand Ende April 2018]. Die Target-Verbindlichkeiten sind im Prinzip Kredite, die das Eurosystem dem Land bisher gewährt hat. Wenn Italien nicht willens oder in der Lage ist, diese vollständig zu begleichen, müssten diese nach dem Austritt von den dann noch im Eurosystem verbleibenden nationalen Notenbanken zu entsprechenden Teilen abgeschrieben werden.
- Ähnliches gilt für den Anteil Italiens an den bisherigen Euro-Rettungsschirmen in Höhe von 64 Mrd. Euro [6]. Diese Summe müsste u. U. von denjenigen verbleibenden Euroländern übernommen werden, die bisher keine Hilfen aus den Rettungsschirmen erhalten haben.
- Wie oben erläutert sind italienischer Staat und Banken stark mit einander verflochten. Durch einen Austritt verursachte Zahlungsschwierigkeiten des italienischen Staates würden vermutlich auch Teile des Bankensystems in Mitleidenschaft ziehen. Damit wäre wie in der globalen Finanzkrise 2008-2009 und in den Hochphasen der Eurokrise 2010-2012 mit Ansteckungseffekten auf die Finanzsysteme der verbleibenden Euroländer zu rechnen.
Alles in allem bedeutete ein Austritt Italiens als drittgrößter Volkswirtschaft und Gründungsmitglied der EU wahrscheinlich das politische Ende der Eurozone oder sogar der EU. Darüber hinaus könnte ein ungeordneter Ausstieg, z.B. durch Volksentscheid, aufgrund starker Verunsicherung der Finanzmärkte die Zahlungsunfähigkeit des Landes nach sich ziehen. Eine erneute globale Finanz- und Wirtschaftskrise wäre wohl die Folge.
Angesichts dieser Risiken kann auch die neue italienische Regierung eigentlich kein Interesse an einem Austritt des Landes aus dem Währungsraum haben.
Warum droht die italienische Regierung also indirekt mit einem solchen Programm? Vermutlich gibt es folgende Gründe:
- Innenpolitik:
- Die neue Regierung möchte ihre Macht festigen und deshalb gegenüber ihrer Wählerschaft signalisieren, dass sie bereit ist, ihre Wahlversprechen umzusetzen.
- Angesichts der ausgeprägten Euroskepsis in Italien kann man sich in klassischer Weise als Kämpfer gegen eine äußere Bedrohung – in dem Fall die EU und Deutschland – inszenieren, und somit von den eigenen inneren Problemen ablenken.
- Außenpolitik:
- Die Regierung möchte den Verhandlungsdruck auf die EU bzw. Deutschland erhöhen, um im Idealfall eine Aufweichung der Stabilitätskriterien des EU-Fiskalvertrages zu erreichen. Diese sehen im Prinzip einen dauerhaften Ausgleich der Staatshaushalte und damit einen langfristigen Schuldenabbau vor. Sollte sich diese Maximalforderung nicht durchsetzen lassen, könnte es als Kompromiss zumindest Unterstützung in anderer Form geben.
Wie also könnte es in der Auseinandersetzung zwischen Italien und der EU bzw. Deutschland als bestimmendem politischen Akteur weiter gehen?
Der Verfasser hält folgende zwei Optionen für denkbar:
1. Die deutsche Regierung wird keine offizielle Aufweichung der Regeln des Fiskalvertrages zulassen, jedoch finanzielle Unterstützung in anderer Form gewähren.
Eine offizielle Aufweichung des Fiskalvertrages ist unwahrscheinlich, da dies den Wählerpräferenzen in Deutschland widerspricht und die Bundesregierung durch die Flüchtlingsproblematik ohnehin schon unter hohem innenpolitischem Druck steht.
Andererseits haben Regierung und Parlament auch kein Interesse an einer erneuten Euro-Krise. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die bisherige Euro-Politik der „bedarfsweisen Reaktion“ weiter betrieben wird. Das bedeutet, dass es bei Bedarf begrenzte Haftungsübernahmen für Italien geben könnte. Diese haben aus Sicht der derzeitigen deutschen Regierung möglicherweise den Vorteil, dass sie für die Wähler erst nach ihrer Regierungszeit steuerlichen Konsequenzen haben könnten, da die Haushaltslage aufgrund der EZB-Nullzinspolitik momentan noch günstig ist.
Die von Angela Merkel am 3. Juni in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung formulierten Reaktionen auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Macron zur EU-Reformen deuten in diese Richtung [7]. Die Kanzlerin kann sich einen Ausbau des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM zu einem „Europäischen Währungsfonds“ (EWF) vorstellen. Unter anderem soll der EWF neben den bisherigen langfristigen Krediten zusätzlich kurzfristige Kredite bis zu fünf Jahren vergeben können. Zwar sollen laut Merkel diese kurzfristigen Kredite wie die langfristigen auch mit Auflagen verbunden sein. Es ist jedoch gut vorstellbar, dass man sich bei den Verhandlungen über den EWF darauf einigt, diese Auflagen weniger restriktiv zu gestalten. Und weiterhin kann sich die Regierungschefin die Einführung eines EU- oder Eurozonen-Budgets vorstellen, mit dem Länder unterstützt werden können, die Strukturreformen durchführen oder Investitionen in neue Technologien tätigen wollen. Hierbei würde es sich sogar um keine Kredite sondern direkte Transferzahlungen handeln.
2. Die deutsche Regierung wird einem ESM-Programm für Italien zustimmen und damit die Aktivierung des OMT-Programms der EZB ermöglichen.
Falls es im weiteren Verlauf zu einer für die italienische Zahlungsfähigkeit gefährlichen Zuspitzung an den Finanzmärkten kommt, ist neben dem alleinigen Rückgriff auf den Euro-Rettungsschirm (ESM) auch zusätzlich eine Aktivierung des so genannten OMT-Programms denkbar. Der Vorteil gegenüber einem reinen ESM-Programm wäre, dass es Italien einen im Prinzip unbegrenzten Verschuldungsspielraum einräumen würde. Aufgrund der Größe Italiens wäre der ESM wegen seiner begrenzten Kapazität wohl nicht in der Lage, gefährliche Finanzmarktturbulenzen abzufangen.
Das OMT-Programm sieht vor, dass die EZB von einem Land zeitlich und mengenmäßig unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen kann. Allerdings muss das Land zuvor erfolgreich ein ESM-Programm beantragt haben, was regelgemäß mit strikten Spar- und Reformmaßnahmen verbunden wäre. Deshalb wäre es wahrscheinlich nur bei dem äußeren Druck einer erneuten Finanzierungskrise denkbar, dass die italienische Regierung die Unterwerfung unter ein „EU-Spardiktat“ politisch durchsetzen kann.
Einmal aktiviert, würde das Programm Italien aber verhandlungstaktisch in eine sehr komfortable Lage versetzen. Die Regierung könnte selbst dann mit weiterer Unterstützung durch die EZB rechnen, wenn sie die Konsolidierungsbemühungen wieder reduziert. Denn die Einstellung des Programms ohne spürbare Erfolge für die italienische Wirtschaft bedeutete, die Zahlungsunfähigkeit Italiens zu riskieren. Somit müsste die EZB zumindest einen Teil der bis dahin aufgekauften italienischen Staatsanleihen abschreiben. Also wird sie das Programm nicht einstellen und hoffen, dass sich künftig doch noch wirtschaftspolitische Erfolge einstellen.
Schlussfolgerungen und Bewertung
Das grundlegende Problem der Eurozone ist, dass die strukturellen Unterschiede zwischen den Ländern zu groß sind (z.B. hinsichtlich Arbeitsmarkteffizienz, Korruptionsniveau), als dass es in absehbarer Zeit zu einer hinreichenden realwirtschaftlichen Angleichung der Süd- an die Nordländer kommen könnte [siehe Arbeitspapier].
Darüber hinaus und damit zusammenhängend gibt es fundamentale Differenzen in den politischen Präferenzen der Wähler: Die Nordeuropäer sind nun einmal weniger geneigt als die Südeuropäer höhere Verschuldung und Inflationsraten hinzunehmen. Hierbei gibt es im Prinzip auch nichts zu kritisieren – Präferenzen sind Präferenzen und es ergibt keinen Sinn, diese zu bewerten.
Problematisch wird es erst dann, wenn sich Länder verschiedener wirtschaftspolitischer Traditionen unter dem Dach einer gemeinsamen Zentralbank zusammenschließen, ohne gleichzeitig ihre Souveränität über die Fiskalpolitik abzugeben und an ein gemeinsames Parlament mit Finanzminister zu delegieren. Zu diesem Schritt ist allerdings derzeit kein Land bereit.
Deshalb würde auch die von der italienischen Regierung und vielen Ökonomen geforderte Aufweichung der Fiskalregeln keine entscheidende Entlastung der wirtschaftlichen Situation Südeuropas bringen. Der Grund ist, dass das Problem des „Moralischen Risikos“ wahrscheinlich nicht vernachlässigbar ist, d.h. es liegt nun einmal in der menschlichen Natur mit fremdem Geld weniger sorgsam umzugehen als mit dem eigenen. Dem könnte grundsätzlich nur durch die Aufgabe von Souveränitätsrechten begegnet werden, weil dann z.B. ein europäischer Finanzminister direkt in die Ausgabenpolitik eines Landes eingreifen könnte.
Da die Eurozone zu große strukturelle Unterschiede aufweist, kann sie langfristig nur dann ökonomisch überleben, wenn Nordeuropa bereit ist, dauerhafte Haftungsübernahmen und Fiskaltransfers zu akzeptieren, auch wenn diese aufgrund Moralisches Risikos nicht immer effizient eingesetzt werden. Diese aber müssten von den Völkern unmittelbar demokratisch legitimiert werden. Wenn die Nordeuropäer dazu nicht bereit sind, müssen eben die Konsequenzen gezogen und der Währungsraum geordnet aufgelöst werden. Dies wäre vermutlich das kleinere Übel als ein ungeordneter Zusammenbruch, der ohne demokratische Legitimation von Haftung und Transfers spätestens bei der nächsten größeren Wirtschafts- und/oder Finanzkrise droht.
Die Bundesregierung hingegen verzichtet offensichtlich bisher auf ein Gesamtkonzept zur Stabilisierung der Eurozone, obwohl der französische Präsident Macron zu einem Neuaufbruch bereit ist und die italienischen Probleme anzeigen, dass Reformbedarf dringend geboten ist.
Stattdessen setzt die deutsche Regierung weiterhin auf eine Strategie der bedarfsweisen Reaktion. Dieses Vorgehen führt letztlich zu einer stückweisen Ausdehnung von Haftungsübernahmen und Fiskaltransfers. Kleine Schritte sind für die Politiker weniger riskant, da sie von Wählern und Opposition eher hingenommen werden als große Reformen. Dennoch wird es mittelfristig auf eine mindestens genauso umfangreiche Unterstützung Südeuropas hinauslaufen wie es bei einem Gesamtkonzept der Fall sein würde. Da es sich dabei aber um einen Flickenteppich vieler kleiner Ergänzungs-Budgets und Ergänzungs-Regelungen handelt, wird es erheblich ineffizienter, intransparenter und in seiner Gesamtheit erst recht nicht demokratisch legitimiert sein.
[1] Hecking, C. (2. Juni 2018). Regierungsantritt in Italien – Das bisschen Schulden. Spiegel Online. Abgerufen am 9. Juni 2018 von http://www.spiegel.de/wirtschaft/italien-neue-regierung-verspricht-waehlern-milliardenausgaben-a-1210889.html
[2] Hildebrand, J., Krieger, R. & Münchrath, J. (31. Mai 2018). Italiens Abstieg droht den Euro mitzureißen – ein Drama in sechs Akten. Handelsblatt. Abgerufen am 9. Juni 2018 von http://www.handelsblatt.com/politik/international/politische-krise-italiens-abstieg-droht-den-euro-mitzureissen-ein-drama-in-sechs-akten/22628358.html?ticket=ST-755375-WGukrJwNtMZRw0LPUUtw-ap2
[3] Fuest, C. (17. Mai 2018). Italiens Fünf-Sterne-Bewegung und Lega erpressen die EU. Handelsblatt. Abgerufen am 9. Juni 2018 von http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-italiens-fuenf-sterne-bewegung-und-lega-erpressen-die-eu/22576252.html
[4] Ripperger, A-L. (1. Juni 2018). Die EU bleibt Roms Feindbild Nummer eins. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 9. Juni 2018 von http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/italiens-neue-regierung-und-ihr-europapolitischer-kurs-15618123.html
[5] Bruegel database of sovereign bond holdings developed in Merler and Pisani-Ferry (2012)
[6] ifo institut. (2018). Die Finanzhilfen für Euroländer und der Haftungsanteil Deutschlands. München: ifo Institut. Abgerufen am 12. Februar 2018 von http://www.cesifo-group.de/de/w/49yXDK29e
[7] Hildebrand, J. et. al. (3. Juni 2018). Merkels Antwort auf Macron – So will die Bundeskanzlerin Europa verändern. Handelsblatt. Abgerufen am 9. Juni 2018 von http://www.handelsblatt.com/politik/international/europapolitik-merkels-antwort-auf-macron-so-will-die-bundeskanzlerin-europa-veraendern/22637344.html?ticket=ST-1189085-GjLTxH0mx3hrNUhofugm-ap2