Die Inflationsrate in Deutschland ist im Verlauf des Jahres 2023 weiter gesunken: von 9,2 % im Januar auf 6,5 % im Juli. Der Rückgang ist insbesondere auf das Nachlassen der Energiepreise zurückzuführen, die laut dem Internationalen Währungsfonds im Jahre 2022 für die Hälfte der Jahres-Inflationsrate von 8,7 % verantwortlich waren (IMF, 2023, S. 5).
Allerdings ist während dieses Jahres die sogenannte Kerninflation – die Inflationsrate ohne die vergleichsweisen volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel – weiter angestiegen von 5,1 % im Januar auf 6,2 % im Juli. Der Grund dürfte im verzögerten Durchschlagen gestiegener Energiepreise auf die anderen Güter liegen, sowie in den inflationsbedingt höheren Lohnabschlüssen (IMF, 2023, S. 5; Bundesbank, 2023, S. 9). Dies deutet darauf hin, dass die Gesamtinflation noch eine Weile über der Zielrate der EZB von 2 % verbleiben wird.
Die Inflationsvorhersagen der maßgebenden nationalen und supranationalen Institutionen unterscheiden sich nicht wesentlich. Beispielsweise prognostizieren der Internationale Währungsfonds (IMF) und die Bundesbank ähnliche Raten für die Gesamtinflation (IMF, 2023, S. 9): für 2023 5, 8 % (IMF) und 6,0 % (Bundesbank), sowie für 2024 2,6 % und 3,1 %. Für die Kerninflation rechnen sie erst nächstes Jahr mit einem spürbaren Rückgang: der IMF von 6,2 % dieses Jahr auf 3,0 % im Jahr 2024 und die Bundesbank von 5,2 % auf 3,1 % nächstes Jahr.
Nach wie vor ist der Ausblick mit erheblichen Risiken belastet. Wiederholt auftretende Energiepreisschocks, z.B. in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg, könnten zu einer höher als prognostizierten Inflation führen. Abweichungen nach oben sind auch möglich, wenn die Lohnsteigerungsdynamik ausgeprägter ausfällt als erwartet und sich Inflationserwartungen erhöhen und verfestigen (Wollmershäuser et al., 2023, S. 13-14).
Andererseits kann es auch Abweichungen nach unten geben, z.B. wenn der Rückgang der Energiepreise schneller an die Verbraucher weitergegeben wird oder die geldpolitische Straffung der EZB die Nachfrage stärker dämpft als angenommen (Wollmershäuser et al., 2023, S. 13-14).
Die EZB hat über die letzten Monate den Leitzins beständig heraufgesetzt von ursprünglich noch
0 % im Juni 2022 auf 4,25 % im August 2023 – dem höchsten Wert seit 15 Jahren.
Diese Politik hilft der Inflation durch Nachfragedämpfung entgegenzusteuern und ist ein wesentlicher Grund für die Prognose sinkender Inflationsraten. Es ist anzunehmen, dass die EZB die Leitzinsen erst wieder senkt, wenn sich die Kerninflation in die gewünschte Richtung bewegt (Wollmershäuser et al., 2023, S. 7).
Der Nachteil dieses Vorgehens ist allerdings, dass ein steigendes Zinsniveau hemmend auf Investitionen und die Konsumnachfrage wirkt, was angesichts der angeschlagenen deutschen Wirtschaft die Gefahr einer längeren Stagnation beinhaltet (der IMF prognostiziert für Deutschland dieses Jahr ein BIP-Wachstum von -0,3 %; IMF, 2023, S. 9).
Die nächsten Monate werden zeigen, ob es der EZB mit ihrer Zinspolitik gelingt, den Spagat zwischen Inflationsbekämpfung und Wirtschaftswachstum zu meistern. Falls die deutsche Wirtschaftsschwäche anhält, hätte dies vermutlich erhebliche Rückwirkungen auf die übrige Eurozone mit entsprechend negativen Folgen für die Stabilität des gesamten Wirtschaftsraums.
Literaturverzeichnis
Bundesbank. (2023, 18. August). Monatsbericht August 2023 (Monatsbericht 75. Jahrgang, Nr. 8). Verfügbar unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/914452/88b462130c1cd6b356bd0b5f5a7cf911/mL/2023-08-monatsbericht-data.pdf
International Monetary Fund. (2023, Juli). County Report Germany (IMF Country Report 23/258). Verfügbar unter: https://www.imf.org/-/media/Files/Publications/CR/2023/English/1DEUEA2023001.ashx
Wollmershäuser, T., Ederer, S., Fell, M., Fourné, F., Lay, M., Lehmann, R. et al. (2023, Juni). ifo Konjunkturprognose Sommer 2023: Inflation flaut langsam ab – aber Konjunktur lahmt noch (ifo Schnelldienst Sonderausgabe Juni 2023). Verfügbar unter: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2023-sonderausgabe-juni-wollmershaeuser-etal-ifo-konjunkturprognose.pdf