Verglichen mit den Vorhersagen Ende letzten Jahres haben sich die Inflationsaussichten zwischenzeitlich aufgrund gesunkener Energiepreise (Abbildungen 1 und 2) etwas verbessert. Seit ihrem Allzeithoch von 10,6 % im Oktober 2022 ist die Inflationsrate im Euroraum auf 8,6 % im Januar 2023 gesunken (European Central Bank, 2023). Die EU-Kommission beispielsweise erwartet in ihrer Februar-Vorhersage für das Gesamtjahr 2023 eine Inflation von 5,6 % und ein weiteres Sinken im Folgejahr auf 2,5 % (European Commission, 2023). Für Deutschland wird in diesem Jahr eine Preissteigerungsrate von 6,3 % und im nächsten Jahr von 2,4 % erwartet, nachdem sie 2022 insgesamt bei 8,7 % lag.

Abbildung 1

Abbildung 2

Allerdings ist bei der so genannte Kerninflationsrate (Verbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel) noch keine Trendwende zu beobachten: Sie lag im Januar im Euroraum bei 5,3 % (Abbildung 3) und in Deutschland bei 5,1 %. Dies deutet darauf hin, dass die Preissteigerungsraten trotz sinkender Energiepreise noch einige Monate auf hohem Niveau bleiben werden, so wie es auch vorhergesagt wird.

Abbildung 3

Für ein Kehrtwende und ein Absinken auch der Kerninflationsrate im Verlaufe des Jahres sprechen die gedämpfte wirtschaftlicher Aktivität im Euroraum und die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die dabei helfen könnten, Inflationsimpulse von Seiten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zu reduzieren (European Commission, 2023, S. 20).

Andererseits bleibt unklar, ob die restriktive Geldpolitik der EZB tatsächlich ausgeprägt genug ist, um die Prognose fallender Inflation der Europäischen Kommission und anderer Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds zu stützen (International Monetary Fund, 2023). Die Erhöhung des Leitzinses auf inzwischen 3,00 % könnte sich als nicht ausreichend herausstellen (Bardt et al., 2022, S. 13). Beispielsweise könnte die Zinserhöhung nicht hoch genug sein, um den Dollar-Euro-Wechselkurs weiterhin zu stabilisieren (Abbildung 4). Eine Abwertung des Euro würde die Importe verteuern und somit einem Rückgang der Inflation entgegenstehen.

Abbildung 4

Darüber hinaus bleibt die Versorgung des Euroraums mit genügend Energie, insbesondere Erdgas, ein zentraler Unsicherheitsfaktor. Das Auffüllen der Gasspeicher für den Winter 2023/24 könnte sich schwieriger als erwartet gestalten, z.B. aufgrund einer erhöhten globalen Nachfrage nach Flüssiggas, nachdem China seine strikten Pandemie-Beschränkungen Ende letzten Jahres aufgehoben hat (European Commission, 2023, S. 21).

Insgesamt ist mittel- bis langfristig auch jenseits kriegs- und pandemiebedingter Störungen mit erhöhten Inflationsrisiken zu rechnen: Zum einen aufgrund der nach wie vor hohen Wertpapierbestände der EZB, zum anderen aufgrund der von der EU-Kommission und der deutschen Regierung vorangetriebenen Transformation der Energieversorgung, die noch auf Jahre auf Gas als Brückentechnologie angewiesen sein wird.

Literaturverzeichnis

Bardt, H., Demary, M., Grömling, M., Hüther, M., Kauder, B., Obst, T. et al. (2022). Konjunktur in der Grauzone. IW-Konjunkturprognose Winter 2022, Institut der deutschen Wirtschaft Köln. IW-Report: 67/2022.

European Central Bank. (2023). Measuring inflation – the Harmonised Index of Consumer Prices (HICP). Verfügbar unter: https://www.ecb.europa.eu/stats/macroeconomic_and_sectoral/hicp/html/index.en.html

European Commission, Directorate-General for Economic and Financial Affairs. (2023). European economic forecast: winter 2023, Publications Office of the European Union. Verfügbar unter: https://data.europa.eu/doi/10.2765/453566

International Monetary Fund. (2023). World Economic Outlook Update. Inflation Peaking amid Low Growth. 2023 Jan. Verfügbar unter: https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2023/01/31/world-economic-outlook-update-january-2023